Der Weg bis zur Vereinsgründung:
„Und wie soll es jetzt für uns weiter gehen“?
Diese Frage hat die Initialzündung für die verwaiste Elterngruppe „Leere Wiege“ gegeben, denn eigentlich bin ich Hebamme.
Zuvor wurde ein Ehepaar, das nach vielen Jahren der Sterilitätsbehandlung endlich schwanger geworden war, in der Klinik aufgenommen. Bei der Zwillingsschwangerschaft wurde der plötzliche Tod in der 32.SSW bei einem Kind festgestellt. Angstvoll forderten die Eltern einen sofortigen Kaiserschnitt, um das Leben des anderen Kindes zu „retten“.
Meine Aufgabe war es, diese Eltern intensiv zu begleiten und psychisch zu stützen, damit die 34. SSW erreicht werden konnte und das lebende Kind einfach einen reiferen, also besseren Start in das Leben hatte.
Meine zweijährige Zusatzausbildung zur Sterbe- und Trauerbegleiterin in Berlin war gerade beendet.
Intensiv begleiten hieß für mich, mit großer Empathie und dennoch professioneller Distanz die Mutter und den Vater in allen ihren Ängsten, in aller Panik und Sorge, mit den vielen Fragen und Seelenqualen sicher zur Seite zu stehen. Erreichbar zu sein. Immer. Natürlich ist dadurch dann eine Beziehung, Vertrauen, ein „sich anvertrauen“ entstanden.
So vergingen Wochen. Die Eltern konnten sich nun sogar eine normale Entbindung vorstellen. Die Geburt wurde dann eingeleitet, alle zuvor gemeinsam erarbeiteten Bedingungen verlässlich eingehalten.
Letztendlich wurden Julia und Carolin dann in der 37. SSW per sekundärem Kaiserschnitt geboren.
Julia, das lebende Kind, wurde von einer zweiten Hebamme empfangen. Die Eltern konnten sich darauf fest verlassen, dass ich mich um die kleine verstorbene Carolin kümmern würde, so dass sie nicht allein war.
Große Freude und große Trauer,
wie können Menschen dies leisten? Wie?
Noch im Wochenbett bat mich das Elternpaar um die weitere Begleitung.
Im September 2004 startete also die erste Elterngruppe „Leere Wiege“ mit diesem Ehepaar. Sie hatten Julia auf dem Arm und Carolin im Herzen. Letztlich hat die kleine Carolin den Anstoß für diese Begleitung gegeben.
Trauerbegleitung, was ist das eigentlich?
Ich hatte bereits vor Beginn der Gruppe die Ziele meiner Begleitung definiert:
Erhaltung der psychischen und physischen Gesundheit sowie der Ehe oder Partnerschaft. Hieraus leiten sich alle Themen und Angebote ab.
Sehr schnell wuchs diese Gruppe. Das Besondere an diesen Treffen waren und sind immer ähnliche Geschichten, ähnliche Gefühle und ähnliche Erfahrungen. Die vorurteilsfreie Wertschätzung ist den trauernden Eltern dabei gewiss. Hier wird nicht gerichtet. Dabei treten die Gründe für den Tod in den Hintergrund. Sei es, dass ein Kind schwer erkrankt war und eine Schwangerschaft nicht ausgetragen werden konnte oder dass nach Jahren der Kinderlosigkeit nun eine frühe Fehlgeburt zu verarbeiten war.
An diesen Abenden lernen die Eltern viel über die Trauer, z.B. das es die sogenannte Trauerarbeit gar nicht gibt. Das Verarbeiten, das Laufen auf einer Spirale mit den vielen Auf`s und Ab`s, die gesunden Reaktionen werden immer wieder bestätigt. Ressourcenorientierte Unterstützung stärken die Eltern und Ihre Ehen oder Partnerschaften.
In diesen Jahren hat sich einiges verändert. Ich durfte viele wertvolle Erfahrungen machen, lernen! Über 500 Menschen wurden hier bis heute begleitet.
Was mit einer Einladung zum Weihnachtsessen begann, ist heute ein umfangreiches Zusatzangebot. Die „Speziales“, ein Halbjahresprogramm, bietet zusätzlich den Eltern, deren Freunden und auch Familien Vielerlei zur Stabilisierung an. Über 60 Angebote haben in diesen Jahren stattgefunden. Beispielhaft seien hier „Wohlfühltage“ für Paare, kreatives Arbeiten mit Speckstein und auch das Philosophieren im Refugium – reden über Gott und die Welt, genannt.
Das unterschiedliche Trauerverhalten hat auch zu eigenen Vätertreffs geführt. Diese werden von meinem Mann Ralf begleitet. Er absolvierte ebenfalls die Ausbildung zum Trauerbegleiter und ist auch mir ein unterstützendes Gegenüber.
Aber mein ehrenamtliches Engagement kam auch an meine Grenzen. So arbeite ich heute halbtags und habe die Kreißsaalleitung in bewährte Hände abgegeben. Auch finanzielle Grenzen (alle Angebote sind für die Eltern kostenlos) waren spürbar und letztlich auch die wichtige Frage der Zukunft dieser Begleitung.
Diese Überlegungen führten zur Vereinsgründung „Leere Wiege Hannover e.V.“, der seit diesem Jahr (2012) besteht.Hier habe ich die großartige Unterstützung der Eltern dankbar erfahren können!
Hierbei sind wir auf die Mitgliedschaft vieler Menschen angewiesen. Ihre Solidarität sichert letztlich die Begleitung der früh verwaisten Eltern und deren Familien.
Heidi Blohmann